Ganz interessanter Artikel aus dem Spiegel Nr. 24, der zeigt, dass der Staat von höheren Spritpreisen auch nicht wirklich profitiert:
Minus an der Zapfsäule
Finanzminister Peer Steinbrück profitiert nicht von den immer höheren Spritpreisen, im Gegenteil: Er zahlt drauf.
Für CSU-Chef Erwin Huber, in Personalunion bayerischer Finanzminister, ist die Angelegenheit ebenso klar wie wahr. "Der Staat verdient über die Mehrwertsteuer an den hohen Energiepreisen."
Ist doch logisch, so argumentiert der Parteichef. Wenn die Benzinpreise steigen, dann nimmt der Fiskus mehr Mehrwertsteuer ein. Hubers Kollege, Innenminister Joachim Herrmann, rechnete sogar vor, was Autofahrer zusätzlich an Mehrwertsteuer zahlen müssen, wenn der Bezinpreis von 1,40 auf 1,50 Euro steigt: 24 statt 22 Cent. Es sei offensichtlich, "dass der Staat von den steigenden Preisen erheblich profitiert", bewertet Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein die Einschätzung seiner Minister.
Ähnlich wie das Bayern-Trio argumentieren auch der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle und sein Vize Rainer Brüderle. Sie alle haben Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Verdacht, im Windschatten hoher Energiepreise im großen Stil abzukassieren. Entsprechend fordern sie einen Rabatt für geschundene Autofahrer.
"Ich bin kein Krisengewinnler", beteuert Steinbrück - und er hat recht damit. Tatsächlich nämlich ist er eher Leidtragender der Entwicklung.
Schon das Argument, mit höheren Preisen an den Zapfsäulen steige im Gleichschritt auch das Mehrwertsteueraufkommen, ist falsch. Was der Autofahrer für die Tankfüllung mehr bezahlen muss, fehlt ihm für den Kauf von Anzügen, Fernsehern oder Schokoriegeln. Der Konsument kann jeden Euro nur einmal ausgeben. Entsprechend verteilt sich das Mehrwertsteueraufkommen um: hin zu den Tankstellen, weg vom Einzelhandel.
Huber und Co. hätten nur recht, wenn die Deutschen für die teurere Tankfüllung ihre Sparkonten plünderten, wegen der höheren Preise also tatsächlich mehr Geld ausgeben würden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Sparquote, also der Anteil ihres Einkommens, den sie auf die hohe Kante legen, steigt seit einigen Monaten.
Ebenso wenig kann Steinbrück als Preisprofiteur einsortiert werden, wenn es um die eigentlichen Energieabgaben geht, wie die Mineralölsteuer, die auch die sogenannte Ökosteuer umfasst. Das zeigt schon deren Aufkommen. Vor fünf Jahren nahm der Staat noch 43,2 Milliarden Euro an Mineralölsteuern ein, 2007 waren es nur noch 39 Milliarden. Der Grund: Immer häufiger schaffen sich die Deutschen wegen der hohen Spritpreise sparsamere Autos an. Das lässt die Einnahmen schrumpfen.
Hinzu kommt, dass der Energiezuschlag für Steinbrück beständig an Wert verliert. Denn die Steuer ist als fixer Cent-Betrag je Liter festgelegt, bei Benzin auf 65,45 Cent, bei Diesel auf 47,04 Cent. Durch die Inflation, die nicht zuletzt von hohen Energiepreisen getrieben wird, verlieren die Steueranteile aber ständig an Wert. Seit der letzten Mineralölsteuererhöhung von 2003 stieg das Preisniveau um acht Prozent. Entsprechend haben die 65,45 Cent von heute verglichen mit damals nur noch eine Kaufkraft von 61 Cent. Die 47,04 Diesel-Cent sind im Vergleich zum selben Jahr nur noch 44 Cent wert.
Damit er sich nicht schlechter steht, müsste Steinbrück die Energiesteuer also eigentlich anheben. Bislang wagt aber niemand in der Koalition, daran auch nur zu denken.
CHRISTIAN REIERMANN - Quelle: http://wissen.spiegel.de/wisse…l?id=57359774&top=SPIEGEL